Ortsübliche Preise …

… und preisgünstiger Urlaub

Ich beobachte Urlauber hier schon seit etlichen Jahren, und mir ist eine Merkwürdigkeit aufgefallen. Bereits nach wenigen Tagen schon fangen die meisten an, in Escudos zu denken und zu rechnen. Dabei scheinen sie zu vergessen, dass man den Euro durch 110 teilen muss, um einen Escudo zu bewerten. Ein Escudo ist also weniger als 1 Eurocent wert.

Nun kostet das Bier in dem einen Laden 110 Escudos, in dem anderen 120. Der Unterschied macht 10 Cent aus, fühlt sich aber offenbar wie 10 Euro an. „Mensch ist das hier teuer“ hört man die Touristen dann stöhnen. Häh? Teuer? Würde man sich in Europa über 10 Cent bei einem Bier aufregen?

Viele folgen auch der Devise: Halte dich an ortsübliche Preise. Für die Fahrt mit dem gemieteten Aluguer von Ribeira Brava nach Carriçal sind beispielsweise 5000 Escudos fällig. Das sind etwa 45 Euro – für 48 km Fahrt über eine üble Buckelpiste, die Reifen und Auto extrem verschleißt. Das ist zwar ein ortsüblicher Preis, aber von den paar Kröten kann niemand Geld zurücklegen, um später mal ein neues Auto zu kaufen, abgesehen von Reparaturen und Spritpreisen, die so hoch sind wie bei uns. Ortsüblich meint also: unter Wert.

Das gleiche gilt für Trinkgeld. Trinkgeld? „Ist doch nicht ortsüblich, warum soll ich welches geben, macht doch hier keiner?“ – den Satz habe ich schon öfter gehört. Als ob man mit einem Trinkgeld einen schweren Regelbruch begänge. Warum aber gibst du in Deutschland Trinkgeld? Es gibt auch dort keine gesetzliche Verpflichtung dazu.

Wer auf ortsübliche Preise pocht, der will im Grunde, dass die Leute so arm bleiben, wie sie sind. Damit er billig essen gehen kann, billig ein Auto mieten kann, billig übernachten kann. Damit das Land ein Billigreiseland bleibt. Der will im Grunde nicht dazu beitragen, dass sich die Leute eines Tages eine Krankenversicherung leisten oder zumindest den Zahnarzt bezahlen oder ihre Kinder auf die höhere Schule schicken können. Absicht oder Oberflächlichkeit? Egal, der Effekt ist der Gleiche.

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