Die letzten Handleinenfischer

Den folgenden Text hat die Journalistin und Autorin Angela Kandt nach einem Aufenthalt in Carriçal geschrieben.

Fischer beim Köderfischfang

 

Bei den letzten Handleinenfischern von Carrical

Kapverden? Wo ist das denn eigentlich? Afrika? Europa? Und was macht man da bloß? Als ich unter Freunden von meinen Reiseplänen erzählte, sah ich all diese Fragezeichen in ihren Augen. Bei manchen allerdings auch ein gewisses Blitzen, gefolgt von einem Seufzen: „Das muss schön sein, aber auch ganz schön weit weg….“

Ein lauer Wind weht vom Meer und die untergegangene Sonne schickt ihre letzte Glut durch die Wipfel der Palmen. Die Blätter wispern im Rhythmus der heranrauschenden Wellen und aus den Lautsprechern haucht eine weiche Frauenstimme ihre „Sodade“. „Schön – oder?“ sagt der hochgewachsene Barkeeper und lässt den Pinot Grigio elegant in das Glas fließen. Langsam, wie ein letzter Gruß Europas am Tor zu einer anderen Welt. Nach sieben Stunden Fliegerei beginnt diese Welt für mich heute in der Bar des „Morabeza“. Immer mehr Hotelgäste säumen zur „Happy Hour“ den Tresen wie eine braun gebrannte Perlenschnur. „Tolles Wetter auf Sal“, strahlt Hans neben mir. Ich habe ihn vorhin im Flugzeug kennengelernt. Eine Woche raus aus dem Arbeitstrott und rauf aufs Surfbrett. Jeden Tag von morgens bis abends. „Na ja,“ meint er zögernd, „nach einer Woche ist das dann auch genug. Sonst ist hier ja nicht so viel zu entdecken.“ Dieses „sonst“ auf der sandigen Kapverden-Insel Sal ist schnell aufgezählt: In der Sonne am weißen Strand schwitzen, im türkisblauen Meer plätschern, abends in einem der vielen Lokale Pizza oder Spaghetti essen, durch die Touristenläden schlendern und Ledertaschen, Batik-T-Shirts, Holzmasken aus Afrika kaufen. Alles schön. Aber das alles werde ich nicht tun, sondern morgen weiterreisen zu einer anderen Kapverden-Insel: Nach Sao Nicolau, auf der Weltkarte ein Stecknadelkopf in einem Ensemble von Stecknadelköpfen irgendwo im Ozean zwischen Westafrika und Südamerika.

„Sao Nicolau?“ Claus, der sich als Däne outet, mischt sich jetzt ein in unser Gespräch. „Da war ich auch mal und habe mich richtig gelangweilt. Keine echte Bar zum Ausgehen.“ Ihm gehört ein Restaurant nicht weit entfernt. Nach Jahren des Herumreisens zwischen Australien und Mittelamerika hat er in Sal seinen perfekten Platz gefunden: „Hier ist es ein bisschen wie in der Karibik, aber es ist alles einfacher, leichter. Die Menschen sind freundlich, offen und bunt gemischt. Afrikanisch, aber auch irgendwie europäisch. Vor allem ist man hier so schön entspannt.“

Der Archipel der Kapverden war bis in die 70er Jahre eine portugiesische Kolonie. Heute leben in der eigenständigen Republik vor allem Kreolen, Nachfahren der Europäer, die sich seit Beginn der Besiedlung und Kolonisierung im 15. Jahrhundert mit den aus Guinea Bissau und Ghana hierher verschleppten Sklaven gemischt haben.

„Wenn du noch Unberührtheit und Abgeschiedenheit erleben möchtest,“ wirft jetzt ein Franzose ein, „ist Sao Nicolau richtig. Fast keine Touristen, nur ein paar Wanderer. Dort gibt es noch das echte Kapverdische.“ Ich bin entzückt! Wilde Natur, ein Platz, wo man etwas „Echtes“ entdecken kann, was in keinem Reiseführer steht. Doch was sollte es bloß sein, dieses echte Kapverdische? Der Franzose zuckt mit den Schultern. „Guck einfach selber.“

Eng ist es in dem kleinen Inselhüpfer, der mich am nächsten Tag nach Sao Nicolau bringt. Der hagere Mann neben mir trägt einen weißen und viel zu großen Leinenanzug. Seit 30 Jahren lebt er in Holland und seit zehn Jahren ist er nicht mehr in seiner Heimat Sao Nicolau gewesen. Mit seinem Anzug und dem kleinen braunen Lederkoffer sieht er ein bisschen aus wie aus der Zeit gefallen, wie ein alternder Bonvivant. Vielleicht hat er den Koffer und den Anzug ja schon seit 30 Jahren und trägt beides immer nur auf dem Heimatflug.

Als ich am späten Nachmittag aus der Flugzeug-Lucke steige, schlägt mir warme Bergluft entgegen. Rot entflammt in der letzten Sonne des Tages, säumen karge Felsen den kleinen Flugplatz. Still und stark, majestätisch, liegt die Landschaft vor mir und scheint sofort klarzumachen, wer hier herrscht. Der Mensch zumindest nicht.

Draußen vor der kleinen Flughafenhalle wartet bereits Jorge mit seinem dunkelgrauen Pickup, um mich in das kleine Fischerdörfchen Carrical zu bringen. Zu Mike. Bei ihm habe ich ein kleines Häuschen gemietet. Ich stelle mich hinten auf das offene Deck, will nach dem stickigen Flugzeug die frische Luft atmen und den weichen Wind spüren. Schon bald biegen wir von einer Asphaltstraße auf eine Pflasterstraße aus schwarzen Basaltsteinen. Wie ich später erfahre, ist das günstig, weil es eines wirklich reichlich gibt auf Sao Nicolau: nackte Felsen und Steine. Nach einem Tag Sandwüste auf Sal bin ich in einer Bergwüste gelandet. Wir fahren von der Mitte der Insel in den Osten, links schlägt das Meer mit Wucht gegen die Felsen, rechts türmt sich das Gebirge auf und wie von grünem Puderzucker bedeckt, ziehen sich die Hänge in den wolkenlosen Himmel. So grün sei es hier nur selten, erklärt Jorge. In der Regenzeit im September habe es dieses Mal besonders viel geregnet. Aber schon bald werde keine andere Farbe mehr das leuchtende Rotbraun der nackten Berge stören.

Die Straße biegt schließlich auf die Hochebene und vorbei ist es mit dem komfortablen Steinpflaster. Wir holpern über Sand, Schotter und durch Schlaglöcher, die vom letzten Regen übrig geblieben sind. Es wird schon dämmrig, als Jorge plötzlich abrupt den Wagen stoppt und ein langes Gewehr von der Landerampe holt. „Galinha Guinea“ flüstert er. Er hat wilde Perlhühner gesehen und will eines schießen. Aber die graugefiederten Tiere haben sich in der Dämmerung geschwind in Deckung gebracht und wir fahren ohne einen Schuss weiter. Die braunen und grünen Berge haben sich vor der untergehenden Sonne mittlerweile anthrazit gefärbt, bis sie wie eine schwarze Wand in den roten Abendhimmel ragen.

Nach einer Stunde geht die Straße wieder abwärts, in der Ferne glitzert das Meer unter dem Mond und vor uns zeichnet sich die dunkle Silhouette eines Dorfes ab. Die Häuser schweigen unter riesigen Straßenlampen. „Luz“ sagte Jorge stolz. Erst seit dem vergangenen Jahr gäbe es überhaupt Strom, der durch eine deutsche Solaranlage gespeist werde. Leider klappe es nicht so gut mit dem Speichern des Stroms, deshalb haben die Menschen vor wenigen Wochen nach ein paar wolkenverhangenen Tagen wieder wie früher im Dunkeln gehockt.

Jorge fährt eine steile Straße hinab zum Meer und prescht angesichts einer heranrauschenden Welle mit viel Gas über den Strand, um den Wagen wenige Meter vor einer Steinmauer zu stoppen. „Wir sind da.“ Seine weißen Zähne blitzen in der Dunkelheit. Wie aus dem Nichts tauchen im Licht der Scheinwerfer zwei junge Männer auf, vielleicht 18, vielleicht jünger. Auf dünnen Beinen staksen die schmächtigen Jungs durch den Sand zur Laderampe, hieven mit überraschend viel Kraft meine Taschen und den Koffer auf den Kopf und jonglieren sicher wie Schlafwandler ohne Taschenlampe den schmalen Pfad am Fels entlang. Tief unten schimmert das Meer und mit einem mulmigen Gefühl folge ich dem dumpfen Klappern ihrer Flipflops. Nach einigen Metern und ein paar Stufen, erreichen wir ein kleines Anwesen, das sich eng an den Felsen schmieg. Zwei kleine Häuschen mit Spitzdächern.

Der Mond taucht die Terrasse in schummriges Licht während irgendwo am Horizont ein letzter Streif der Sonne im Meer versinkt. Ein weicher Wind kommt von den Bergen herunter und kühlt die Steine unter meinen Füßen. Links zieht sich hinter dem kleinen Strand ein Wald tief in den Ribeira. Eine Schlucht, die das von den Bergen herabrauschende Regen- und Quellwasser in den Fels gewaschen hat. Gegenüber wachen die hohen Lampen über dem Dorf wie eine gelbe Garde und unterhalb meiner Terrasse schunkeln Fischerboote auf den Wellen. Mal leise, mal lauter plätschert das Wasser gegen den Felsen und irgendwo in der Ferne braust das Meer zum Ufer. Sonst nichts. Herrlich.

 

Nein, so geht das nicht,“ sagt Cabeza. „Sobald es ruckelt, musst du kurz und schnell ziehen!“ Betroffen starre ich auf das viele Wasser um mich herum. Glänzend wie frisch geputztes Glas umspült es den Rumpf des kleinen Holzbootes und wechselt seine Farbe wie ein Chamäleon: türkis, smaragd, kobaltblau. Ein Farbenspiel, das weit draußen im Silberglitzer des Horizonts verschwindet und am nahen Ufer zu weißem Schaum explodiert. Ungerührt von dieser Wucht des Meeres sticht die rostige Bergwüste mit ihren Spitzen in den blauen Himmel.

Die Sonne brennt. Nur eine leichte Brise kühlt unsere heißen Gesichter. Vor einer halben Stunde sind wir in diese Bucht getuckert, weil es hier gute Fischgründe geben soll. Cabeza kennt jeden Meter des Meeres, jede Tiefe, jeden Felsen und jede verborgene Höhle. Seit dreißig Jahren ist er Fischer. Und wie alle Fischer im Dorf fischt er mit der Handleine. Wie das geht, versucht er mir beizubringen und was das bedeutet, lassen seine braunen Hände ahnen: Tiefe Furchen durchziehen die dicke Hornhaut der Innenflächen wie Wadis ausgedörrte Wüsten. Besorgt schaue ich auf meine dünne Haut an den Händen einer Schreibtischtäterin. Cabeza grinst, während Millionen kleiner Schweißperlen auf seiner tiefbraunen Stirn tanzen.

Verwegen fühle ich mich, anmaßend. Noch nie zuvor habe ich irgendeine Art von Angel in der Hand gehabt. Aufgewachsen nicht weit von der Nordsee, war für mich das Pulen toter Krabben ein Kinderspiel. Aber lebendige Fische fangen? Ich esse nicht einmal Fisch! Eigentlich ist überhaupt alles die Schuld von Mike. Er ist selber leidenschaftlicher Fischer und hat mich gleich heute an meinem ersten Tag im Nirgendwo zu Cabeza aufs Boot geschickt: „Hier leben die Menschen vom Meer und fischen seit Jahrhunderten mit der Handleine. Das musst du einfach einmal ausprobieren!“ Hin- und hergerissen zwischen Furcht und Neugierde – ich bin ja schließlich auch hier, um das Unbekannte zu entdecken – bin ich schließlich in das wackelige Boot gestiegen.

Gefühlt mitten im Ozean, suchen meine Augen krampfhaft Halt am Horizont. Das Schunkeln gefällt meinem Magen nicht so recht und wie aus weiter Ferne höre ich Cabezas Anweisungen: „So – jetzt noch einmal!“ Folgsam wickle ich das lange Nylonseil erneut auf ein Stück Holz, bis es ein dickes Paket ergibt. Dann werfe ich das Ende, an dem ein Stück Eisen zum Beschweren und ein Stück Köderfisch an einem kleinen Haken hängt, ins Wasser und lasse das Seil über meine Hand abrollen. So lange, bis die Spannung des fallenden Seiles nachlässt, dann ist es in der Regel am Grund angekommen. „Nun ein bisschen hoch und runterziehen, aber ganz langsam – und fühlen,“ höre ich Cabezas Worte. Er spricht leise, als ob er die Fische nicht stören wolle. Und ich ziehe und fühle, starre zum Horizont wegen der Übelkeit, höre das Plätschern gegen den Rumpf des Bootes, sehe fliegenden Fische, die wenige Meter entfernt wie glitzernde Pfeile durch die Luft schießen, um Sekunden später wieder ins Wasser einzutauchen. Wasser, so klar und blau wie ein geschliffener Aquamarin. Über uns schwebt lautlos ein Adler im Glück: Silbern glitzert ein Fisch in seinen Fängen und am nahen Ufer glüht das Wüstengebirge mittlerweile zinnoberrot in der Spätnachmittagssonne.

In meine Bewunderung über diese mächtige Natur hinein zuckt es plötzlich an meiner Hand. Ich reiße an dem Seil, damit der Haken sich fest in das Fischmaul verkeilt, und ziehe es mit wilden Bewegungen durch meine Hand. Ich male mir diesen schönen Fisch aus, der gleich mit starren Augen und zappelnd im Todeskampf an meiner Angel hängen wird. Ich ziehe weiter – und dann sehe ich ES: Der Köderfisch ist weg, einsam baumelt der Haken in der Luft. „Da war der Fisch wohl schneller und ganz schön geschickt,“ witzelt Cabeza. Ich sage ihm nicht, dass ich froh bin, weil der Fisch am Leben geblieben ist.

Jetzt zieht Cabeza an seinem Seil. Er zieht und zieht das Seil durch die Furchen seiner Hand und dann sehe ich ES: Dieses Rote, dieses Glänzende, dieses Zappelnde. Ein großer Zackenbarsch baumelt am Haken über dem blauen Wasser. Sein weit aufgerissenes Maul bewegt sich, als ob er noch ein letztes Mal nach Luft japsen wollte, und dann ist Stille. Der tote Fisch landet im Eimer. Ich schaue weg und Cabeza lacht. Zwölf Kilo schätzt er. Ein guter Fang!

Wenig später liegen vier Fische im Boot. Keiner von mir. Als Handleinenfischerin habe ich versagt.

Auch Cabeza ist nicht wirklich zufrieden mit seiner Ausbeute, doch er zuckt mit den Schultern: „Mal gibt es Fisch, mal nicht.“ Fischen mit der Handleine ist eine mühselige, zuweilen erfolglose Angelegenheit, doch die Männer in Carrical haben es schon immer so gemacht und für die Anschaffung von modernen Angelgeräten fehlt den meisten schlicht das Geld. Im Dorf wird erzählt, dass die Fischer vor langer Zeit sogar Wale gefangen und zu Tran gekocht hätten. Aus der Tranfabrik wurde später eine Thunfischfabrik. Als das Dorf schließlich von der einen Seite der Bucht auf die andere umgesiedelt wurde, weil dort die neue Straße endete, baute man eine neue große Thunfischfabrik und die Menschen hatten genug Arbeit und ein bescheidenes Auskommen. Aber dann kamen die großen Fangschiffe weltweiter Konzerne und fingen den Thunfisch weg. Die küstennahen Bestände waren schließlich so gering und die entfernten für die lokalen Fischer mit ihren kleinen Booten nicht mehr erreichbar, dass die Fabrik geschlossen werden musste. Die Investoren zogen ab, die Fischer mit ihren Familien blieben. Seither zerfällt die Fabrik vor den Augen der Bewohner und nur ein paar im Geröll der zerborstenen Mauern verstreuten Reste alter Blechdosen erinnern an diese gute alte Zeit, als Thunfisch aus Carrical ein Exportprodukt war.

„Was sollen wir tun?“ Cabeza zieht die Schultern hoch, „Wir sind eben Fischer.“ Er selber kann zwar auch mauern und die Motoren der kleinen Fischerboote reparieren, aber andere haben es deutlich schwerer. Sie sind schon erleichtert, wenn sie mit der Handleine zumindest hin und wieder ein paar Thunfische fangen und richtig froh, wenn diese mehr als einen Meter lang sind. Kaum zu glauben, dass so ein großer schwerer Fisch mit einem simplen Seil gefangen und an Bord gezogen werden kann. Doch die Fischer sind geübt, schon die Teenager fahren mit ihren Vätern hinaus aufs Meer.

„Es ist schwer für sie, aber hungern muss hier niemand. Irgendwie sind die Menschen von Carrical Überlebenskünstler, “ meint Mike, der eigentlich Michael heißt. Vor mehr als zehn Jahren hat er vom Boot aus diese Bucht und seine Schönheit entdeckt: den dunklen Sandstrand, die Kokospalmen, den grünen Akazienwald, die kahlen Berge. Auf der einen Seite der Bucht lag eng an den Hang geschmiegt das Dorf mit seinen bunten Häuschen, doch seine Augen blieben vor allem an Ruinen des alten Dorfes auf der anderen Seite haften. Nach einigen bürokratischen Kapriolen und jahrelangen Bauarbeiten wurde aus den Ruinen ein Kleinod. Häuschen aus Naturstein, grüne Fensterrahmen, Pergolas, Guaven, Bougainvillea, Hibiskus, Oleander, Mandelbäume und die riesige Terrasse mit Meerblick bringen seither einen Hauch farbenfrohes Italien in diese kapverdische „Anderwelt“ wie Michael sie nennt. Einige seiner Bücher hat der Paarberater aus Hamburg zwischen Meer und Fischerdorf geschrieben.

Am nächsten Morgen wecken mich warme Sonnenstrahlen und die „Anderwelt“ hat sich längst zwischen Dorf und Strand vor meiner Terrasse eingefunden. Kinder sitzen im Schatten der Akazien, einige plantschen im heranrauschenden Meer, Hühner irren gackernd durchs Gebüsch, Kühe schlendern gemütlich am Strand entlang und kühlen sich im Meer die Beine, ein Maultier tritt aus dem Dickicht hervor und trottet über den Sand hoch zum Dorf. Über allem hängt wie ein mächtiger Wächter das Gebirge. Ist dies das echte Kapverden?

Als ich wenig später Jorge diese Frage stelle, guckt er irritiert und lacht verlegen. Weil der Aluguer-Fahrer jedoch scheinbar mittlerweile ein Gespür dafür entwickelt hat, was so seltsame Fremde, die es an diesen Platz verschlägt, wollen, schlägt er eine Inseltour vor.

Und ich lerne, dass einst hier im Osten der Insel in großem Stil Landwirtschaft betrieben wurde. Nach wiederkehrende Dürreperioden, besonders seit in den vierziger Jahren Tausende verhungerten oder auswanderten, verfielen die Terrassen und der Boden erodierte immer weiter. Der Befreiungskämpfer und Nationalheld Amilcar Cabral hatte eigens in Portugal tropische Landwirtschaft studiert, um die Agrarsituation zu verbessern. Doch er kam nicht mehr dazu und erlebte auch die Selbständigkeit seiner Heimat nach dem Ende der portugiesisch-faschistischen Diktatur nicht: 1973 wurde er erschossen. Als mir Jorge seine Felder zeigt, frage ich mich, wie man diesem steinigen Boden überhaupt ein paar Pflänzchen abringen kann. Jorge schenkt mir eine gelbe Melone – die kleinste, die ich je gesehen habe.

Wir fahren weiter über sandigen Boden, rumpeln durch Schlaglöcher bis plötzlich eine Fata Morgana aus der felsigen Wüste hervorquillt: Die Oase Castilhano mit ihrem dichten Palmenwald. Silbergrün schimmern die Blätter in der Vormittagssonne. „Willst du eine Kokosnuss?“ fragt Jorge. Ganz weit oben sehe ich sie. Die dicken Nüsse in ihren grünen Schalen scheinen unter dem Wipfel der Kokosnusspalme festzukleben, doch Jorge ist jetzt ein Held: Flink wie ein Wiesel klettert dieser gewichtige Mann kurzentschlossen an dem langen leicht gebogenen Stamm der Kokospalme hinauf und zupft mit energischem Griff zwei riesige Nüsse ab. Erschrocken springe ich beiseite, als er sie zielgerichtet neben mir auf den Boden krachen lässt. Nach einem heftigen Schlag auf den Felsen brechen die grünen dicken Schalen auf und sichtbar wird ein weißes faseriges Innenleben. Jorge schält mit einem Messer die Nuss aus dem Faserreich und öffnet die Spitze. Als die eher wässrige Kokosmilch mir schließlich kühl über den Gaumen fließt, witzelt er. „Und? Besser als Bier – oder?“ Ich nicke, auch wenn ich gar kein Bier trinke.

Weiter geht’s über die Sandpiste, dann über Kopfsteinpflaster und irgendwann rollen wir über frischen Asphalt. Nach Wüste und Oase sind wir in der Vila Ribera Brava gelandet. Die Inselhauptstadt, bei uns höchstens eine verschlafene Kleinstadt, klettert mit ihren niedlichen bunten Häuschen, viele im Kolonialstil mit Stuck und Balkonen, die steilen Berge der Schlucht hinauf. Schwere SUV‘s schieben sich neben klapperigen Pickups durch enge Gassen, die sich überraschend zu hübschen und begrünten Plätzen öffnen. An den Tischen eines Cafés sitzen ein paar europäische Touristen in Wanderschuhen, daneben Kapverder, mit gegelten und geglätteten Haaren die Frauen, die Männer tragen Rastazöpfe. In den kleinen Läden des Stadtzentrums ist alles zu kaufen, was die Menschen hier brauchen – und bezahlen können. Man hat den Eindruck, dass die ursprünglich portugiesisch geführten Tante-Emma-Läden, in denen alles von Bohnen und Reis bis hin zu Hausrat, Werkzeug und Kleidung über die Theke wanderte, mittlerweile von Chinesen kolonisiert wurden. Den alten Kolonialisten folgten neue Kolonialisten. Doch viele Kapverder sind froh: Seither können sie sich Schuhe leisten.

Jorge entpuppt sich zunehmend als kundiger Reiseleiter. „Seminario“, sagt er und zeigt etwas abseits der Vila am Berghang auf ein verwunschenes Gebäude zwischen dichten Akazienbüschen. Die Dachziegel leuchten in der Sonne wie aufgestapelte Orangen.1866 als Priesterseminar mit weltlicher Schule gegründet, war es lange die erste und größte Einrichtung dieser Art in Westafrika. Es galt als das kulturelle Herz der Kapverden. Angeblich haben die portugiesischen Kolonialherren irgendwann die Unterstützung gekappt. Ihnen missfiel das aus dieser Bildungszelle heraus wachsende Selbstbewusstsein der kapverdischen einheimischen Bevölkerung. Ungebildete Kapverder waren ihnen bequemer und lieber.

Wir fahren weiter hinauf in die Berge. Immer steiler ragen die Felsen in den Himmel, immer häufiger eingepackt in ein dickes grünes Polster. Nach dem kargen Osten fühle ich mich unversehens hineinverpflanzt in ein vegetarisches Schlaraffenland. Es ist auch viel dichter besiedelt. Die kleinen Kapverden-Häuser mit Spitzdach, mal in Naturstein, mal verputzt, blitzen überall aus dem Grün hervor. Vorbei an Plantagen Zuckerrohr, Bananen, Papaya, Guaven, Maracuja, Mais und Gemüse an Hängen und in den Tälern erreichen wir endlich den „Drachenbaumwald“. So wird diese Gegend zumindest in einem Reiseführer beschrieben. Doch das ist übertrieben. Nur vereinzelt stehen diese bizarren und urzeitlich anmutenden Bäume zwischen den Plantagen. Irgendwann stoppt Jorge abrupt den Wagen. Wir sind angekommen im Nationalpark am mächtigsten Berg der Insel, dem Monte Gordo. Im Feenwald von Sao Nicolau: Nebel schwebt lautlos durch die Kronen seltsamer Bäume und tanzt zwischen den schlanken Stämmen, um dann irgendwann ganz sanft den dunklen Waldboden zu berühren. Flechten und Moos bedecken Reste von Steinmauern. Als ob die Milchstraße vom Himmel gefallen wäre, überzieht ein Netz aus winzigen Blütensternen das grüne Dickicht. Rote Malven und lilazarte Blüten der Waldreben leuchten im Hauch der Nebelschwaden wie kleine Laternen.

Als wir uns eineinhalb Stunden später wieder der Bucht von Carrical nähern und das Abendrot kurz nach Sonnenuntergang nicht nur den Himmel, sondern auch die Berge glühen lässt, fühle ich mich endgültig wie im Bilderwunderland und weiß gar nicht mehr, was ich eigentlich schöner finden soll – den prallgrünen Westen oder den kargen Osten der Insel.

Wir schauen noch kurz bei Ana vorbei. Sie ist die gute Seele von Michaels Ferienhäusern, kümmert sich um den Garten, das Gewächshaus, um die Urlaubsgäste. Ein Multitalent wie viele hier: Mutter von fünf Kindern, Viehtreiberin, Steineklopferin, Bäuerin und Wirtin. Ich weiß gar nicht, wann sie schläft, morgens um sieben hackt sie schon Kartoffeln und nach Sonnenuntergang bis in die Nacht verkauft sie Bier und Schnaps in ihrem Wohnzimmer. Ein grob zusammengeklopfter Holztresen in der Ecke, Neonlampe an der Decke, Flachbildfernseher und Regale an der Wand, ein paar Hocker, ein kleiner Tisch bedeckt mit den Resten einer Spitzentischdecke, Fertig ist die Hauskneipe. Vier gibt es im kleinen Carrical.

In der frühen Abendstunde ist kaum jemand auf der Straße zu finden. Die Männer haben sich wie jeden Tag „after work“ auf den Weg in eine Kneipe gemacht. Sie trinken ein Bier, einen Grogue, das ist Zuckerrohrschnaps, Ponche, mit Zuckerwasser verlängerter Grogue. Oder Likör, eine Art selbstgemachter Baileys: Schnaps mit Dosenmilch. Manche spielen einfach nur Karten, andere wollen Fernsehgucken.

In Anas Bar führt ein dünnes Kabel vom Fernseher an der Wand irgendwohin zu einer Antenne. Auf dem blauen Holzbänkchen drängen sich Kinder, Männer, Frauen und starren gebannt auf die wackeligen Bilder. Sie sehen Probleme von reichen Leuten in riesigen Häusern mit Pools, aufgedonnerte Frauen, dickbäuchige Männer und wohlgescheitelte Kinder. Telenovelas aus Brasilien. Als Ana hört, dass ich beim Handleinenfischen kläglich gescheitert bin, lächelt sie verschmitzt: „Na, da kannst du ja morgen vielleicht erleben, welch große Tiere unsere Fischer hier an Land ziehen.“

Am nächsten Nachmittag sehe ich sie von meiner Terrasse aus kommen. Ein Fischerboot nach dem anderen tuckert in die Bucht. Drüben an dem kleinen Kai stehen bereits die Fischerfrauen und ich mache mich schnell auf den Weg. Treppauf, treppab. Schon werden die ersten Fische ausgeladen. Thunfische, einige schätze ich auf 150 Zentimeter. Bis solch ein großer Fisch mit der Handleine endlich an Bord gezogen ist, kann schon mal eine Stunde vergehen, hatte mir Cabeza erzählt. Hemingways alter Mann hat Tage gebraucht – wie groß muss bloß sein Fisch gewesen sein!

Auf dem Kai geht alles ganz schnell: Die Frauen wiegen die Fische, feilschen laut und gestenreich mit den Fischern um die Preise und schon werden die großen Messer gezückt: In Sekundenschnelle schlitzen sie die blassen Fischbäuche auf, holen die Eingeweide heraus, werfen einige Teile ins Meer oder auf den Felsen. Dort wartet bereits ein Graureiher und schnappt sich schnell die guten Stücke. Den Rest holen sich die Hunde, die mittlerweile vom Dorf herangehechelt sind. Die Fischerfrauen leeren die Mägen. In manchen finden sich noch Dutzende von unverdauten kleinen Fischen. Ana säbelt einem Thunfisch den dicken Kopf ab. Weil der harte Knochen widerspenstig ist, schlägt sie mit einem dicken Stock auf das Messer. Endlich ist er abgetrennt. Mit zwei Fingern packt sie das Auge und mit einem Blupp kullert die durchsichtige Kugel wie eine Glasmurmel über den Boden. Der Fischkopf, an dem sehr viel rotes Fleisch hängt, wird später in der Cachupa gekocht. Das ist der traditionelle Bohnen-Maiseintopf auf den Kapverden. Rot fließt das But aus dem geköpften Fisch heraus und ergießt sich über den Kai. Überall ist es mittlerweile rot von all diesen vielen zerlegten Tieren und ich weiß nicht so recht, ob ich das nun grässlich oder interessant finden soll. Die Fischer schütten Meerwasser über die Blutlachen. Schnell fließt alles über die Kaimauer, wo sich das tiefe Rot schon bald im blauen Wasser verliert.

Nach nur einer Stunde ist der Spuk vorbei und der Kai von sämtlichen Blutspuren befreit. Still und einsam liegt er wieder da, nur ein paar Hunde lungern noch in den angrenzenden Felsen herum, in der Hoffnung, den einen oder anderen vergessenen Fischrest zu finden. Einige Fischer fahren mit ihren Booten erneut hinaus, um mit Netzen Köderfisch für den nächsten Tag zu fangen, andere bringen ihre Boote zu ihrer Ankerboje. Wenn sie diese befestigt haben, ist ihr Arbeitstag vorbei.

Für die Fischerfrauen jedoch beginnt jetzt eine lange Schicht. Raimund, neben Jorge der zweite Aluguer-Fahrer des Dorfes, bringt sie in der Nachmittagssonne mitsamt Körben voller Fisch nach Ribera Brava. Dort machen sie sich zunächst auf den Weg zu ihren festen Kunden, meist Privatleute. Ist danach Fisch übrig, laufen die Frauen mit den Fischkörben auf dem Kopf oft noch mehrere Stunden durch die Gassen, um den Fisch loszuwerden. Als sie an diesem Tag spät in der Dunkelheit nach Hause kommen, wirken sie zufrieden: Alle Fische wurden verkauft. Ana versammelt sich mit ihrem Team aus zwei weiteren Fischerfrauen an ihrem Küchentisch, um das Geld aufzuteilen. Im spärlichen Licht einer schwachen Glühbirne türmen sich wie nach einer Pokerrunde Schein um Schein unter den aufmerksamen Blicken von drei Augenpaaren. Die hohen Stapel sind beeindruckend, aber umgerechnet hat jede nur ein paar Euro verdient.

Während ich noch nachgrüble, mit wie wenig die Menschen in Carrical auskommen, verschwinden die Frauen zufrieden und mit einem freundlichen „Boa Noite“ in der Dunkelheit und ich mache mich auf den Weg zu meinem Häuschen auf der anderen Seite der Bucht. Die Hühner haben sich bereits auf die Bäume verzogen und wie dunkle Schatten schleichen die Hunde durchs Dorf. Hier und da ist das leise Meckern einer Ziege zu hören, irgendwo am Strand brüllt eine Kuh, Musikfetzen treiben mit dem Wind davon und verbindet sich mit dem Rauschen des Meeres. Laute wie der letzte Hauch des Tages, wo menschliche Zivilisation nahtlos in Natur übergeht. In der Ferne donnern steile Wellen gegen den Felsen und die Gischt leuchtet in der Dunkelheit. Nur das nächtliche Sternenmeer über der kleinen Bucht ist still wie die Ewigkeit. Lautlos auch die Goldaugen der Fische, die elegant wie Tänzerinnen im Mondschein durch das Wasser schweben. Sie wissen nicht, ob morgen vielleicht ein Thunfisch sie frisst, doch sie tanzen. Was sollen sie auch tun?

Und die Fischer werden im Morgengrauen wieder losziehen und fischen. Vielleicht. Mal fahren sie raus, mal nicht. Das hängt vom Wetter ab. Mal gibt es Fisch, mal keinen. Das liegt an Strömungen oder wer weiß woran. Vielleicht hat auch wieder ein großes ausländisches Fangschiff alles weggefangen. Keiner regt sich auf. Stattdessen warten sie auf einen besseren Tag oder sie feiern einfach. Mal wird ein Kind getauft, dann ist jemand in eine neue Wohnung gezogen, ein Haus wird eingeweiht oder auch nur ein neuer Grill. Manchmal geht das ganz spontan, wie ausgerechnet an meinem letzten Tag in Carrical.

Sidney, der lokale Schildkrötenhüter, erklärt feierlich das Ende der Schildkrötensaison. Tausende Schildkröteneier, die von riesigen Meeresschildkröten im Spätsommer sorglos am Strand abgelegt worden waren, hat er an einem vor Wasser und hungrigen Tieren geschützten Platz vergraben. Heute sind die letzten geschlüpft und ich darf die kleinen krabbelnden Urgewalten auf den letzten Metern zum Meer begleiten. Zärtlich schaut Sidney den rennenden Tierchen nach, bis das Wasser sie verschluckt und nur noch ab und zu ein Köpfen zu sehen ist. Wie viele werden wohl überleben? Sidney lächelt und zuckt mit den Schultern. „Weinige“.

Kurze Zeit später beginnt ein Gewusel am Strand unter den Akazienbäumen. Ein paar Jungs stellen riesige schwarze Boxen auf. Frauen schleppen große Töpfe heran, andere balancieren auf ihren Köpfen Feuerholz. Wenig später dampft in einem schwarzen „Hexentopf“ über dem offenen Feuer die Cachupa. In einem anderen Topf kocht der Reis. Kapverdische Folklore dröhnt aus den Lautsprechern. Kinder kreischen, spielen Fangen um die Ruinen alter Fischerboote und bewerfen sich mit dem dunklen Strandsand. Hunde lungern herum, etwas entfernt, aber nah genug, um die dampfende Suppe in den Töpfern und die Schweine-Spieße auf dem Grill genau beobachten zu können. Immer mehr Menschen kommen heran. Auch Frauen, die ich sonst selten auf der Straße gesehen habe. Wenn sie lachen, verwandeln sich ihre braunen Gesichter in gefaltete Landschaften. Und weil sie gern lachen, vor allem, wenn Grogue und Ponche aus kleinen weißen Plastikbechern über ihre Lippen geflossen ist, sind viele dieser Landschaftsgesichter zu sehen, manchmal mit weißen Zähnen, manchmal mit silbernen, manchmal gibt es auch gar keine Zähne mehr. Aber das hält sie überhaupt nicht davon ab, zu tanzen. Einige tanzen mit ihrem Stock, andere fassen sich bei den Händen und schieben sich mit wilden Hüftschwüngen über den Sand. Wieder andere bleiben einfach sitzen und lassen locker ihre Arme und Schultern zur Musik rollen. Immer aber erhellt ein Lachen ihre braunen Gesichter.

Ein eigenartiger Zauber geht von diesem trubeligen Bild unter den Akazien aus. Von den dampfenden Töpfen über dem offenen Feuer, von diesen feiernden Menschen, deren Gesichter die Spuren Afrikas und Europas ahnen lässt, von der Musik, die manchmal im melancholischen Moll versinkt und dann wieder von solch ansteckender Fröhlichkeit und Lebendigkeit ist, dass selbst die Touristin aus dem Norden kaum ruhig stehen bleiben kann und sich nur zu gern von rauen kapverdischen Händen über den Strand wirbeln lässt.

Am nächsten Abend sitze ich wieder im Morabeza. Wieder dieser elegante Barkeeper, wieder dieser „Happy Hour“-Wein, wieder klingt „Sodade“ aus den Lautsprechern. Ich habe mittlerweile gelernt, dass damit „Sehnsucht“ gemeint ist, vielleicht nach dem Liebsten. Vielleicht wird auch von der Sklaverei erzählt, von Armut, vom Auswandern, vom Verlust der Heimat und der Hoffnung auf Rückkehr. Und wie an meinem ersten Tag wispern die Palmen und das Meer rauscht in der Ferne. Der Klang der Ewigkeit wie in der Bucht in Carrical. Kaum mehr als eine halbe Flugstunde trennen mich von den Fischern, von Jorge, von Cabeza, von Ana. Von ihrer Freundlichkeit, der Fröhlichkeit, von der Gelassenheit und dem schulterzuckenden „Dasistebenso“, von dem stillen Sternenhimmel, von den mächtigen Bergen und dem klaren Meer, von einem Platz, der nichts sein will, sondern einfach nur ist: kapverdisch.

Ein Mann in rosa Shorts und gestreiftem Pulli geht neben der Bar auf und ab. Er redet pausenlos in das Kabel seines Handys. Deutsche Wortfetzen wie Kostenvoranschlag und Termin hetzen mit ihm durch den Raum. Neben mir nehmen Engländer Platz. Der Mann in schwarz-weißem Karo brummt etwas unter seinem Schnäuzer, die beiden Jungs sind stumm und ordentlich gescheitelt. Die Frau lässt ihr bodenlanges Kleid rauschen. Rot und pink. Eine leichte Stola verdeckte die Schultern und die Haare thronen hochgesteckt und fest im Spray auf ihrem Kopf. Kein Abendwind bringt da etwas durcheinander. Über den Tisch wabert süßes Parfum wie der letzte Hauch kolonialer Geschichte. Bizarr und harmlos. In Carrical ist jetzt Telenovela-Zeit und vielleicht sitzt Cabeza wieder wie so oft allein auf der Mauer über dem Felsen. Eingehüllt in Dunkelheit schaut er auf das im Mondlicht glitzernde Meer. Das Meer, das ihm heute keine Fische beschert hat. Vielleicht aber morgen. Sodade.

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